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Schlussfolgerung

 

 

In dieser Arbeit haben wir die erst kürzlich in Luxemburg aufgeflammte Diskussion über Schulrhythmen zum Thema gemacht. Dabei haben wir im theoretischen Teil versucht, ein objektives Bild der im Luxemburger Primarschulwesen üblichen Schulzeiten zu zeichnen, indem wir uns auf die historischen Hintergründe bezogen haben. Anschließend haben wir die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und die wissenschaftlichen Aspekte in Bezug auf die kindliche Entwicklung erläutert. Zu Vergleichszwecken wurde die Situation im Ausland kurz beschrieben, um dann eine Bestandsaufnahme der bisher auf nationaler Ebene geführten Diskussion über Schulrhythmen zu geben.

Im Laufe unserer Recherchen und der Auseinandersetzung mit den verschiedenen Aspekten sind wir zu dem Schluss gekommen, dass politische Entscheidungen im Bereich der Schulrhythmen bisher eher von sozioökonomischen als von psychopädagogischen Faktoren abhingen. Diese Situation ist allerdings nicht allein auf Luxemburg beschränkt, auch in Frankreich waren es bis zu Beginn der achtziger Jahre hauptsächlich wirtschaftliche Interessen, die die Schulzeiten bestimmten [47].

Da in der aktuellen Diskussion oft die Floskel „im Interesse des Kindes" herhalten muss, um diese oder jene Ansicht respektiv Forderung zu rechtfertigen, müsste man zuerst einmal klarstellen, wie man denn das „Interesse des Kindes" definiert. Sind es die erst kürzlich zum Forschungsobjekt gewordenen kindlichen Lebensrhythmen oder sind es vielmehr die schnellen und flexiblen, hauptsächlich von der Arbeitswelt bestimmten Lebensrhythmen der „modernen" Familie, mit denen die Schulzeiten in Harmonie gebracht werden sollen? Die Reaktionen in der Bevölkerung haben jedenfalls gezeigt, dass beide Extrempositionen in der Diskussion aufeinander treffen. Einerseits nehmen Lehrer und Eltern Stellung für die Qualität des Unterrichts, die ihrer Ansicht nach unter reduzierten bzw. kondensierten Stundenplänen nur leiden kann. Andererseits gibt es Eltern, die ihre Kinder am liebsten von Montag bis Freitag von Schulen und sogenannten Auffangstrukturen betreuen ließen, um sie dann am Wochenende wieder ganz für sich zu haben. Die letzte Gruppe wird dabei oft von ihrer Berufstätigkeit zu dieser Forderung gezwungen, wenn beide Eltern nicht auf eine ganztägige Arbeit verzichten können oder wollen.

Angesichts der Tatsache, dass die Schule nicht allein dafür verantwortlich gemacht werden kann, wenn es stellenweise zur Dysharmonie zwischen Schulzeiten und Lebensrhythmen gekommen ist, finden wir es jedoch unangebracht zu verlangen, dass die Schule sich einseitig an die neuen Gegebenheiten des Familienlebens anzupassen hat. Vielleicht ist die Anteilnahme der Bevölkerung an der Diskussion über Schulrhythmen auch nur so groß, weil man mit Appellen an die politisch Verantwortlichen nicht verlieren kann, aber u.U. viel zu gewinnen hat (wenn die eigenen Forderungen erhört werden). Proteste über die Flexibilisierung der Arbeitszeiten und -bedingungen werden jedoch – wenn überhaupt – nur von Gewerkschaften angesprochen, hierzu vermisst man allzu oft die Beteiligung der Bevölkerung. Schließlich ist man ja auch durch das Einkommen an den Arbeitgeber gebunden und manchmal besteht das „Mitspracherecht" leider nur auf dem Papier.

Ein für alle Parteien befriedigender Konsens ist unserer Meinung nach nur möglich, wenn man sich kritisch mit allen implizierten Faktoren auseinander setzt, seien sie nun psychopädagogischer, sozioökonomischer oder kultureller Natur; wohlwissend, dass es jedoch auch in einem kleinen Land wie Luxemburg keine jedermann zufrieden stellende Patentlösung geben kann. Zu verschieden und zu komplex ist dafür unsere (westliche) Gesellschaft geworden, andere Bereiche – man denke nur an die europäische Einheit – demonstrieren dies jeden Tag aufs Neue.

Auf regionaler Ebene zeichnen sich jedoch bereits praktische Neuerungen ab, die durchaus von allen Beteiligten als positiv gewertet werden, wie wir anhand der Gemeinden Hosingen und Reckange-sur-Mess veranschaulicht haben. Ohne dass politische Überlegungen und Entscheidungen eine Änderung notwendig gemacht hätten, waren u.a. pragmatische Überlegungen zum Schülertransport in Hosingen, sowie der Wille, die Schule für die Kinder kreativer zu gestalten, in Reckange-sur-Mess die Beweggründe für die Einführung neuer Schulzeiten. Besonders wichtig erscheint uns dabei die Initiative und das Engagement der Verantwortlichen bei Gemeinde und des Lehrpersonals. Sie haben bewiesen, dass man etwas verändern kann, wenn ein Handlungsbedarf besteht. Dass die Änderungen erfolgreich sind, das veranschaulichen die beiden Umfragen, wie man es in dieser Arbeit nachlesen kann.

Aus diesem Grund finden wir es auch überflüssig, dass die Reduzierung der Unterrichtseinheiten von 29 auf 28 herbeigeführt wurde, eine Entscheidung, die ja sozusagen als „Einladung" an die Gemeinden mit traditionellem Stundenplan verstanden werden muss, auch ihre Schulzeiten neu zu organisieren. Positiv finden wir allerdings, dass dadurch jetzt Bewegung in den Bereich der Schulorganisation gekommen ist; ein Elan, der dem Luxemburger Schulwesen im Allgemeinen, d.h. über die Problematik der Schulrhythmen hinaus, zugute kommen könnte. In diesem Sinne übernehmen wir als letzte Worte folgendes Zitat von Hubert Montagner [48]:

« Il faut sortir du discours et des intentions affichées pour qu‘une nouvelle école, au bénéfice de tous, soit réellement possible. »

 

[47] G. Fotinos & F. Testu, 1996

[48] H. Montagner, 1996, p. 230

 

Bibliografie

 

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