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Da die in Teil E zusammengefassten Items vom Lehrpersonal der Gemeinde Reckange-sur-Mess ausgearbeitet wurden, beziehen sie sich zum Teil auf die Organisation der Nachmittagsaktivitäten. Die durch die Umfrage erhaltenen Rückmeldungen sollen so dazu beitragen, eventuelle Änderungen bei den Angeboten herbeizuführen, im Sinne einer Verbesserung der « Ateliers de créativité ». Diese organisatorischen Aspekte lassen wir in dieser Arbeit bewusst weg, um uns auf die Auswirkung der kreativen Aktivitäten auf die Kinder zu konzentrieren. Die Items E1 bis E7 geben uns diesbezügliche Rückmeldungen, während die Punkte E8 bis E15 ausschließlich dem Interesse des Lehrpersonals entsprechen.
Zusätzlich zu den traditionellen Freizeitangeboten, wie z.B. Musikschule, Sportverein oder Pfadfinder, stehen den Schülern aus der Gemeinde Reckange-sur-Mess die vom Lehrpersonal organisierten « Ateliers de créativité » zur Verfügung. Wie oft die Kinder diese Angebote pro Woche in Anspruch nehmen wird aus
Diagramm 7.9 ersichtlich.Diagramm 7.9
Wir sehen, dass von den insgesamt 143 Kindern, die durch die Umfrage erfasst wurden, lediglich sieben (5 %) nicht an den « Ateliers de créativité » teilnehmen. 84 Kinder (entsprechen 59 %) besuchen einmal pro Woche eine Aktivität, 47 Kinder (33 %) gehen zweimal hin, und 5 Kinder (3 %) sind dreimal die Woche dabei. Dagegen ist die Teilnahme an außerschulischen Aktivitäten – was die Häufigkeit betrifft – gleichmäßiger verteilt. So nehmen 32 Kinder (22 %) überhaupt keine Angebote wahr, je 41 Kinder (29 %) haben eine oder zwei Verpflichtungen pro Woche und 24 Kinder (17 %) nutzen mehr als zweimal pro Woche ein anderes Freizeitangebot. Bei 3 % der Fragebögen wurde hierzu keine Angabe gemacht.
Der Erfolg der « Ateliers de créativité » ist also nicht zu übersehen, und das obwohl es galt, sich gegen die Konkurrenz der außerschulischen Angebote durchzusetzen. Beeindruckend erscheint uns vor allem der geringe Prozentsatz an Schülern, die keine der vom Lehrpersonal angebotenen Aktivitäten nutzen.
b. Auswirkungen der Nachmittagsaktivitäten auf die Schüler
In
Tabelle 7.10 haben wir die Ergebnisse der für uns relevanten Items aus Teil E der Umfrage zusammengestellt. Es handelt sich dabei um die Fragen E3 bis E7, die sich neben der Rückmeldung über die Vielfalt und Beliebtheit des Angebots auch auf die Auswirkungen der Ateliers auf Hausaufgaben und Müdigkeit beziehen.
E. Fragen zu den „Ateliers de créativité" |
ja |
nein |
w.n. |
k.A. |
3. Mein Kind hat Probleme, ein „Atelier" nach seinem Geschmack zu finden. |
4 % |
87 % |
- |
9 % |
4. Mein Kind geht gerne in sein(e) „Atelier(s)". |
89 % |
3 % |
3 % |
5 % |
5. Ist Ihr Kind durch die Nachmittagsaktivitäten ausgeglichener als früher ? |
36 % |
35 % |
23 % |
6 % |
6. Bleibt genügend Ruhe und Zeit (Mo, Mi, Fr)
für Hausaufgaben und Lernen ?*
Mein Kind erledigt seine Hausaufgaben in der Regel vor den „Ateliers".* Mein Kind erledigt seine Hausaufgaben in der Regel nach den „Ateliers".* |
61 % 59 % 42 % |
13 % 19 % 21 % |
3 % 1 % 1 % |
23 % 21 % 36 % |
7. Mein Kind ist müde nach einem Tag mit morgens Schule und nachmittags „Ateliers". |
29 % |
62 % |
3 % |
6 % |
* : gilt nur für die Primarschulkinder w.n. : weiß nicht k.A. : keine Angabe
Tabelle 7.10
Laut Umfrage haben 87 % der Kinder keine Probleme, eine Aktivität im Rahmen der von der Schule angebotenen « Ateliers » zu finden, die ihnen Spaß macht. Die vier Prozent, bei denen das Gegenteil der Fall ist, können unserer Interpretation nach in Verbindung gesetzt werden mit den fünf Prozent, die nicht an den Nachmittagsaktivitäten teilnehmen. Da jedoch weitere Aktivitäten geplant sind, insbesondere « Computer-Ateliers », wird sich dieser Prozentsatz in Zukunft vielleicht noch verringern.
Ebenfalls neun Zehntel der Eltern geben an, dass ihre Kinder gerne in ihre « Ateliers » gehen, lediglich 3 % verneinen dies. Die Frage hingegen, ob die Kinder durch die Nachmittagsaktivitäten ausgeglichener sind, wird nicht so deutlich beantwortet. Je rund ein Drittel der Befragten bejahen oder verneinen diese Ansicht, während das letzte Drittel unentschieden ist respektiv keine Angabe macht.
In Bezug auf die Hausaufgaben an den Tagen, wo zusätzlich zum regulären Unterricht auch kreative Aktivitäten stattfinden, sind über die Hälfte (61 %) der Eltern der Meinung, dass den Kindern noch genügend Zeit zum Erledigen dieser Arbeiten bleibt. Etwas mehr als zehn Prozent finden, dass das Gegenteil der Fall ist, während die übrigen sich enthalten. Die meisten Schüler scheinen ihre Hausaufgaben vor den « Ateliers » zu erledigen, was uns angesichts des Beginns der Aktivitäten um 14.30 Uhr als plausibel erscheint.
Was die Müdigkeit nach einem Tag mit Unterricht und Nachmittagsaktivität anbelangt, sind wiederum über die Hälfte (62 %) der Befragten der Auffassung, dass ihr Kind nicht sonderlich müde sei. Da bei dieser Frage wenige Eltern unentschieden sind respektiv sich enthalten haben, bleiben jedoch fast ein Drittel (29 %) übrig, deren Kinder müde sind. Unserer Meinung nach hängt diese Müdigkeit aber eher von der jeweiligen Aktivität, sowie vom morgendlichen Unterrichtsverlauf ab, als dass sie ein Hinweis dafür wäre, dass die Kinder an diesen Tagen generell überlastet sind.
Von den insgesamt 102 befragten Eltern gaben gut ein Drittel in Teil F persönliche Bemerkungen zum Fragebogen, zu den Nachmittagsaktivitäten oder zu den Schulrhythmen im Allgemeinen an. Wir wollen deshalb an dieser Stelle eine Auswahl der von den Eltern gemachten Aussagen zurückbehalten. Einerseits geben sie ein Bild der Akzeptanz respektiv Ablehnung des Reckinger Projekts bei den betroffenen Eltern, andererseits sollen sie dem Leser auch als Denkanstoß zur Problematik der Schulrhythmen dienen.
„Da im Religionsunterricht heutzutage eh' nichts Sinnvolles gemacht wird und unsere Kinder bei der späteren Berufswahl mit einer ‘1’ in Religion nicht sehr weit kommen, finden wir, dass 1 Stunde Religion pro Woche völlig ausreichend wäre. Als Ersatz für die 2. Stunde könnte man eine Turnstunde hinzufügen, da die Kinder sich dort austoben können und somit ihre Konzentration für die weiteren Fächer wieder besser wird. Noch eine Möglichkeit wäre, Religionsunterricht als Nachmittagsaktivität zu gestalten; also auf freiwilliger Basis."
„Die wegfallende Schulstunde könnte meines Erachtens dazu eingesetzt werden, entweder alle 4-5 Wochen am Samstag schulfrei zu geben oder bei Feiertagen, die z.B. auf einen Freitag oder Dienstag fallen, den vorherigen oder nachherigen Tag auch freizugeben."
„Wenn man die Schulstunden noch kürzer machen will, wo sollen die Kinder ihr Schulpensum denn lernen? Es gibt schon so vieles was die Kinder zu lernen haben, wenn da noch Stunden wegbleiben, woher die Zeit nehmen um alles zu lernen? Wir Erwachsene haben einfach vergessen wie es war als wir noch zur Schule gingen. Erinnern wir uns einfach mal wieder daran, wir haben auch nicht gerne stundenlange Hausaufgaben gemacht."
„Meiner Meinung nach sind die neuen Schulzeiten weniger vorteilhaft, da der Lernstoff schneller bewältigt werden muss (Schulstunde in den Hauptfächern zu 50 Minuten anstatt 55 Min., letzte ‘Stunde’ der Hauptfächer nur 37 Minuten) und dadurch mehr Hausaufgaben entstehen. Durch den späten Schulschluss besteht u.a. keine Möglichkeit einen frühen Arzttermin (14 Uhr) oder sonstiges zu erledigen, ohne die Kinder unter Zeitdruck zu setzen. Ich würde vorschlagen die alten Schulzeiten wieder einzuführen mit eventueller Verkürzung der Mittagspause, da die Kinder an diesen Tagen in der Mittagspause keinen Schulsack dabei haben (Schulbeginn 13.40 Mo. Mi. Fr), Samstags früher Schulschluss."
„Als Eltern begrüßen wir den neuen Stundenplan, aber auch das Engagement des Lehrpersonals. Bei diesem Projekt wird hauptsächlich darauf geachtet, eine kindergerechte Schule zu gestalten. Das Lehrpersonal hat jetzt mehr Möglichkeiten den Kindern eine gute Lernatmosphäre zu bieten, da sie jetzt nicht mehr durch die Mittagspause unterbrochen werden. Die ‘Ateliers’ an den Nachmittagen ermöglichen den Kindern neben den kreativen Arbeiten, die sie zusammen mit anderen Schülern gestalten können, auch Kontakte mit Schülern aus anderen Klassen und Alterskategorien. Diese wichtigen Sozialkontakte sind bei ‘normalen’ Schulrhythmen nur schwer möglich."
„Unser Kind und auch wir sind sehr zufrieden mit den jetzigen Schulzeiten. Allerdings hatte unsere Tochter nach einer kurzen Testphase keine Lust mehr in die Ateliers de Créativité zu gehen, weil sie lieber spielen möchte an den freien Nachmittagen. Wir wären sehr froh, wenn unsere Tochter in der Primarschule samstags frei wäre, durch Abschaffung der Religionsstunden, weil wir der Meinung sind dass Religion Privatsache ist und nicht in die öffentliche Schule gehört. So wäre jeder frei, seinem Kind am Samstag den ethischen und religiösen Unterricht zukommen zu lassen, den er für richtig hält."
„Die Schul- und Betreuungsstrukturen sollten alle Familienmodelle ermöglichen, auch wenn unsere Kinder sie nur teilweise beanspruchen würden. Das schulische und extraschulische Angebot sollte nicht von der finanziellen Situation einer Gemeinde abhängig sein. Diese Bemerkungen sind allgemeiner Natur; das Reckinger Pilotprojekt gefällt uns an sich sehr gut."
„Den neuen Schulrhythmus finden wir sehr zufrieden stellend; für die Kinder ist er auf jeden Fall interessanter durch die Möglichkeit, ihre Nachmittage freiwillig mitzugestalten ! Am aktuellen Ferienrhythmus sollte, wenn möglich, nichts geändert werden. Die klare, längere Trennungslinie zwischen den Schuljahren sollte erhalten bleiben; sie wird von uns oder den Kindern nicht als zu lang empfunden !"
„Man sollte im Sinne der Kinder handeln und nicht nur den Stundenplan berufstätiger Eltern berücksichtigen."
« Le projet de la ‘journée continue’ est bien accepté et supporté par les enfants (avec ateliers). Par contre, nous sommes contre la proposition (citée page 1 sub 1) ‘journée continue + samedi libre’. D'abord parce que l'école se terminerait vers 13.30 heures (+ temps de rentrer en bus). Les familles ne pourraient même plus déjeuner ensemble. Ensuite parce que cinq heures et demie de classe (8-13.30) nous semble trop long pour des enfants de 6 à 12 ans. La proposition de répartir la 29e heure en faisant rentrer les enfants pendant les six jours un peu plus tôt serait souhaitable. »
7.3 Die Schlussfolgerungen
Da das Ziel dieser Umfrage vor allem darin bestand, die Akzeptanz der neuen Schulzeiten in der Gemeinde Reckange-sur-Mess bei den Eltern der betroffenen Schulkinder zu ergründen, können wir zuerst einmal festhalten, dass das neue Schulmodell bei einer großen Mehrheit auf Zustimmung stößt. Somit scheint sich das im 4. Kapitel beschriebene Pilotprojekt „Aktive Schule" in Reckange-sur-Mess in der Praxis bewährt zu haben, so dass der Fortführung des Projekts eigentlich nichts mehr im Wege stehen kann.
Die von den Eltern bei der Umfrage gemachten Vorschläge werden sicherlich von den Verantwortlichen des Projekts in die Verbesserung der angebotenen Aktivitäten mit einfließen. Darüber hinaus verfügen sie nun über stichhaltige Argumente, um die finanzielle Förderung des Projekts auszubauen.
Nichtsdestotrotz möchten wir darauf hinweisen, dass man keine voreiligen Verallgemeinerungen machen sollte. So ist es äußerst fragwürdig, ob die gleichen Resultate in einer anderen Gemeinde zustande gekommen wären, z.B. in Bezug auf die Einrichtung von Betreuungsstrukturen. Die in dieser Umfrage befragten Eltern sind sicherlich nicht repräsentativ für Luxemburg, vor allem was den Ausländeranteil betrifft.
Was nun die Auswirkungen der neuen Schulzeiten auf die Kinder anbelangt, und wie diese in Zusammenhang mit den im 3. Kapitel beschriebenen wissenschaftlichen Aspekten zu setzen sind, darüber können die von uns erhobenen Daten kaum Auskunft liefern. Hierzu benötigte man schon eine Langzeitstudie mit Kontrollgruppe, damit man die Leistungen von Schülern, die den traditionellen Unterricht absolvieren, mit denjenigen von Schülern aus Reckange-sur-Mess angemessen vergleichen könnte. Aus diesem Grund beziehen wir uns auf die Beobachtungen und Erfahrungen der LehrerInnen mit dem neuen Schulmodell. Und diese scheinen ebenso wie die Resultate der Umfrage durchaus positiv zu sein.
So hat uns beispielsweise ein Lehrer mitgeteilt, dass ihm bei seinen Schülern während des traditionellen Nachmittagsunterrichts größere Konzentrationsmängel aufgefallen sind als während der jetzigen fünf Einheiten am Vormittag. Obschon die Kinder in Reckange-sur-Mess in den ersten Unterrichtseinheiten am Morgen für die Hauptfächer offen sein müssen (was an sich nicht mit den Empfehlungen von Hubert Montagner übereinstimmt), ist nicht nur dieser Lehrer der Auffassung, dass die Zeit früh morgens von der Lehrperson gut genutzt werden kann, da die Kinder zu dem Zeitpunkt noch „bei der Sache" sind, weil sie eben noch nicht viele andere Dinge an dem Tag erlebt haben, die sie vom Unterricht ablenken könnten. Außerdem weist er darauf hin, dass er nie sofort in den Lernstoff einsteigt, sondern dass die erste Aktivität am Morgen stets ein Lied ist.
Angesichts der Tatsache, dass Montagner auch noch herausgefunden hat, dass hauptsächlich Schüler aus schwierigen sozialen Milieus mit den traditionellen Schulzeiten zu kämpfen haben, dass jedoch die guten Schüler ihre eigenen Rhythmen viel besser daran anpassen können, glauben wir, dass seine Überlegungen (siehe 3. Kapitel, Abschnitt 3.1.3) im Falle der Gemeinde Reckange-sur-Mess sicherlich nicht in dem Maße zutreffen wie das für eine « zone d‘éducation prioritaire » der Fall wäre. In dem Sinne glauben wir schon, dass sich der Schulbetrieb in Reckange-sur-Mess durch das Pilotprojekt verbessert hat, auch wenn die Umsetzung nicht unbedingt den wissenschaftlichen Empfehlungen entspricht.
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