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4. Kapitel

Verschiedene Konzepte

 

 

In den verschiedenen Kulturen gibt es große Unterschiede, was die Organisation des praktischen Lebens betrifft. Da auch die Schulorganisation u.a. von diesen Faktoren abhängt, ist es leicht verständlich, dass wir nicht überall die gleichen Zeitpläne vorfinden. Auch wenn man berücksichtigt, dass in den sogenannten wissenschaftlich aufgeklärten Gesellschaften der westlichen Welt immer neuere Erkenntnisse bezüglich der kindlichen chronobiologischen Rhythmen vorliegen, ist ihre Umsetzung in die bestehende Schulorganisation ein anderes Thema. Die meisten der in den verschiedenen Nationen angewandten Konzepte beruhen jedenfalls nicht auf diesen neuesten Erkenntnissen, sondern vielmehr auf traditionellen und historischen Ursachen.

Ein ausführlicher Vergleich der Situation in den Primarstufen verschiedener Länder würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Deshalb beschränken wir uns hier auf einen eher regional zu verstehenden Überblick der Situation, wie wir sie in unseren Nachbarländern antreffen. Diese Wahl begründet sich einerseits dadurch, dass Luxemburg im Laufe seiner Geschichte auf internationaler Ebene hauptsächlich von belgischen, französischen und deutschen Einflüssen geprägt wurde, was sich somit auch auf unser Schulsystem ausgewirkt hat. Andererseits macht es wenig Sinn, einen direkten Vergleich mit Ländern zu ziehen, in denen es unter kulturellen und sozialen Gesichtspunkten erhebliche Unterschiede zu unserer Situation gibt.

Im nachfolgenden Abschnitt zeichnen wir also ein Bild der Schulorganisation, wie wir sie laut EURYDICE [33] in den europäischen Nachbarstaaten Belgien, Deutschland, Frankreich und Luxemburg vorfinden. Die diesbezüglich rezentesten Angaben stammen allerdings von Oktober 1995. Größtenteils dürften sie jedoch noch ihre Gültigkeit haben, da die Kommission der Europäischen Union die regelmäßige Veröffentlichung von Informationen zu dieser Problematik unterstützt.

 

4.1    Vergleich der Primarschulorganisationen in Belgien, Deutschland, Frankreich und Luxemburg

4.1.1    Ausdehnung des Schuljahrs

In Tabelle 4.1 sind die üblichen Eckdaten betreffend die Ausdehnung des Schuljahrs festgehalten. In Belgien und Deutschland gibt es regionale Unterschiede, auf belgischer Seite eher unwesentliche je nach Zugehörigkeit zu einer linguistischen Gemeinschaft, auf deutscher Seite variieren die Daten ziemlich beträchtlich je nach Bundesland. Für Frankreich und Luxemburg gelten zentral festgelegte Daten. Global gesehen erstrecken sich die Sommerferien in den vier Staaten über die beiden Sommermonate Juli und August, z.T. auch bis in den September hinein.

STAAT

Anfang des Schuljahrs

Ende des Schuljahrs

BELGIEN

Französische und flämische Gemeinschaften

Deutschsprachige
Gemeinschaft

 

1. September

 

Ende August

 

30. Juni

 

Anfang Juli

DEUTSCHLAND

Die Daten variieren in den einzelnen Bundesländern. Angegeben sind die äußersten Daten.

 

Anfang August

 

Ende Juli

FRANKREICH

erste Woche September

Ende Juni

LUXEMBURG

gegen 15. September

15. Juli

Tabelle 4.1

 

4.1.2    Anzahl der Unterrichtstage pro Jahr

Tabelle 4.2 gibt einen Überblick über die jährliche Anzahl an obligatorischen Schultagen im Primarunterricht. Dabei fällt auf, dass Luxemburg in punkto Absolutwert nur mit denjenigen deutschen Bundesländern vergleichbar ist, in denen der 6-Tage-Rhythmus pro Woche angewandt wird. Da bei uns – übrigens als einzigem Staat der Europäischen Union (EU) landesweit – ebenfalls der 6-Tage-Rhythmus vorgeschrieben ist, erklärt sich diese Spitzenposition zuerst durch die Tatsache, dass unsere Kinder sechs Tage pro Woche zur Schule gehen. Um einen genaueren Vergleich der von den Schülern zu absolvierenden Pensa anstellen zu können, müssen wir uns konkreteren Zeiteinheiten, also der jährlichen Anzahl der realen Schulstunden, zuwenden.

STAAT

Ende des Schuljahrs

BELGIEN

182

DEUTSCHLAND

Die Anzahl der Schultage ist grundsätzlich die gleiche, kann aber variieren je nach Anfang und Ende der Sommerferien im Rahmen des Wechselsystems der Ferien in den 16 Ländern.

188

(Länderdurchschnitt für 5-Tage-pro-Woche-Rhythmus)

208

(Länderdurchschnitt für 6-Tage-pro-Woche-Rhythmus, dabei ist jeder zweite Samstag frei. Die Gesamtzahl der unterrichteten Stunden ist für beide Rhythmen jedoch dieselbe, da die am Samstag nicht erteilten Unterrichts-stunden über die anderen Wochentage verteilt sind.)

FRANKREICH

180

(Diese Zahl kann leicht verringert sein in Folge von Feiertagen oder einer Schulorganisation bei der jeder dritte Samstag frei ist.)

LUXEMBURG

212

Tabelle 4.2

 

4.1.3    Anzahl der unterrichteten Stunden pro Jahr

Wenn wir uns der tatsächlichen Unterrichtszeit (in Minuten bzw. Stunden und Minuten) zuwenden, also der Zeit, die die Schüler zusammen mit einer Lehrperson in einer sogenannten pädagogischen Situation verbringen, treten deutlichere Unterschiede zwischen Luxemburg und seinen Nachbarländern zu Tage (siehe Tabelle 4.3). Luxemburgs Grundschüler müssen am längsten in der Schule bleiben, dieser Rekord gilt für die Schulanfänger (1. Schuljahr) sogar in der gesamten EU. Bei den Neunjährigen (Mittelgrad bei uns) wird Luxemburg zwar noch von den Niederlanden, Nordirland und Schottland überflügelt, was die Gesamtzahl der Schulstunden anbelangt, im großregionalen Vergleich jedoch bleibt festzustellen, dass luxemburgische Schulkinder das größte Pensum zu absolvieren haben. Besonders in Bezug auf die Situation in den deutschen Bundesländern ist der Unterschied doch beträchtlich. Dass das Tagespensum in Luxemburg jedoch kleiner ausfällt als in Belgien und Frankreich ist auf die Tatsache zurückzuführen, dass in diesen Ländern vier „lange" Schultage (Unterricht an Vormittag und Nachmittag) in den Tagesdurchschnitt einfließen, im Gegensatz zu drei in Luxemburg.

 

STAAT

Wochenpensum

Tage/

Woche

Tagespensum (Æ )

Tage/

Jahr

Jahrespensum

BELGIEN

28 x 50’ = min. 1 400’

5

280’

182

50 960’ = min. 849h 20’

DEUTSCHLAND

bei Schulbeginn

(± 6 Jahre)

in der Schulzeit

(± 9 Jahre)

 

20 x 45’(Æ ) = 900’

 

25 x 45’(Æ ) = 1 125’

5/6

 

180’/163’

 

225’/203’

188/208

 

33 840’ = 564h

 

42 300’ = 705h

FRANKREICH

(26 x 60’) – (5 x 30’) = 1 410’

5

282’

180

50 760’ = 846h

LUXEMBURG

(18 x 55’) + (12 x 50’) = 1 590’

6

265’

212

56 180’ = 936h 20’

Tabelle 4.3

 

4.1.4    Dauer des Schultags

Die bis jetzt angegebenen Daten sagen zwar etwas über die vom Schüler in einer Unterrichtssituation zu verbringende Zeit aus, sie ermöglichen jedoch nur bedingte Rückschlüsse auf die Organisation des Schultags, sowie die Verteilung der Unterrichtszeit. Zu diesem Aspekt hat EURYDICE auch Statistiken anzubieten, welche allerdings nur als Richtlinien zu verstehen sind, da es Variationen zwischen den einzelnen Schulgebäuden geben kann. So gilt z.B. die in Tabelle 4.4 für Luxemburg angegebene Situation in der Regel für jede Primarschule hierzulande, dennoch sind in den Gemeinden Hosingen und Reckange-sur-Mess bereits andere Modelle in Erprobung. In unseren Nachbarländern gibt es diesbezüglich ebenfalls Abweichungen von der Regel.

STAAT

 

BELGIEN

Französische Gemeinschaft

 

Deutschsprachige Gemeinschaft

 

Flämische Gemeinschaft

 

8.30/9.00 – 12.00 13.30 – 15.15/15.45 (Mo, Di, Do, Fr)

8.30/9.00 – 12.00 (Mi)

8.30 – 12.00 13.15 – 15.30 (Mo, Di, Do, Fr)

8.30 – 12.00 (Mi)

8.30 – 12.00 13.30 – 16.00 (Mo, Di, Do, Fr)

8.30 – 12.00 (Mi)

DEUTSCHLAND

7.30/8.30 – 11.30/12.30 (Mo, Di, Mi, Do, Fr)

oder (Mo, Di, Mi, Do, Fr, Sa)

FRANKREICH

8.30 – 11.30 13.30 – 16.30 (Mo, Di, Do, Fr)

8.30 – 11.30 (Sa)

LUXEMBURG

8.00 – 11.45 14.00 – 16.00 (Mo, Mi, Fr)

8.00 – 11.45 (Di, Do, Sa)

Tabelle 4.4

Die Analyse der in Tabelle 4.4 angegebenen Zeiten ergibt, dass allein in Deutschland der Unterricht größtenteils auf den Vormittag (mit mehr oder weniger längeren Ausdehnungen in die Mittagsstunde) verteilt ist, sowohl im 5- als auch im 6-Tage-pro-Woche-Rhythmus. In Belgien und in Frankreich, wo der 5-Tage-pro-Woche-Rhythmus besteht, findet der Unterricht zusätzlich zu den fünf Vormittagen auch an vier Nachmittagen statt. Dabei variiert die Dauer der Mittagspause zwischen 90 Minuten bei unseren belgischen Nachbarn und 2 Stunden in Frankreich. Luxemburgs Primarschulen erteilen Unterricht an sechs Vor- und drei Nachmittagen, die Mittagspause beträgt 2 Stunden und 15 Minuten.

 

4.1.5    Der Schulrhythmus in der Großregion

Wenn wir die unter 4.1.4 angegebenen Daten auf Luxemburg und die unmittelbar hinter den Landesgrenzen gelegenen ausländischen Regionen beziehen, ergibt sich in einem in Bezug auf die Ausdehnung der EU geographisch doch eher beschränkten Raum ein ziemlich unterschiedliches Bild, was den vom Schulrhythmus geprägten Alltag gleichaltriger, z.T. auch gleichsprachiger Kinder anbelangt. In den folgenden Abschnitten fassen wir die in Sektion 4.1 beschriebenen Situationen synthetisch zusammen.

 

a.    Luxemburg

In unserem Land gehen die Kinder während 6 Tagen in der Woche, von Montag bis Samstag, zur Schule. An jedem Wochentag sind 4 Unterrichtseinheiten alternativ zu 55 und 50 Minuten vormittags vorgesehen, insgesamt von 8.00 Uhr bis 11.45 Uhr. Zusätzlich zu diesen 23 Unterrichtseinheiten kommen noch weitere 6 Einheiten zu je 55 Minuten an 3 Nachmittagen hinzu, montags, mittwochs und freitags, immer von 14.00 Uhr bis 16.00 Uhr. Die dabei entstehende Mittagspause erstreckt sich somit über 2 Stunden und 15 Minuten.

Der aufmerksame Leser wird gemerkt haben, dass 4 Unterrichtseinheiten mal 6 Vormittage 24 Unterrichtseinheiten ergeben müssten. Die Tatsache, dass es in Wirklichkeit jedoch nur 23 sind, ist auf den Umstand zurückzuführen, dass das Gesetz seit 1998 nur noch zwei statt bisher drei Religions- bzw. Moral- und Sozialunterrichtseinheiten pro Woche vorsieht, weswegen die Schüler jetzt nur noch ein Pensum von 29 Unterrichtseinheiten zu den vormals 30 zu absolvieren haben. Für die von den Gemeinden umgesetzte Streichung einer Unterrichtseinheit pro Woche gibt es zwei verschiedene Szenarien [34]. Einerseits wird nach dem oben beschriebenen Schulrhythmus vorgegangen, wobei jeder vierte Samstag schulfrei ist, da sich bis dahin innerhalb von vier Wochen vier „Überstunden" angesammelt hätten, die durch den schulfreien Samstag abgebaut werden. Andererseits besteht die Möglichkeit, jeden Samstag während des ganzen Schuljahrs nur 3 Unterrichtseinheiten vorzusehen, welche sich dann von 8.00 Uhr bis 10.55 Uhr erstrecken.

Das Wochenpensum von 29 Unterrichtseinheiten in den luxemburgischen Primarschulen beträgt somit insgesamt 1540 Minuten. Damit müssen die Kinder in Luxemburg ein größeres Pensum absolvieren als in den drei ausländischen Nachbarregionen. Wenn man dann noch der Tatsache Rechnung trägt, dass Luxemburg auch bei der Anzahl der schulpflichtigen Tage pro Jahr in diesem Vergleich an der Spitze liegt, beträgt die Gesamtdauer der von den Kindern im Unterricht zu verbringenden Zeit über 900 Stunden, was immerhin rund 23 Wochen zu je 40 Arbeitsstunden entsprechen würde, denen 29 Wochen Urlaub gegenüber stehen würden. Dieses Pensum gilt für alle Kinder im Alter von 6 bis 12 Jahren. Wenn man bedenkt, dass die Zahl der in den Sekundarschulen unterrichteten Stunden nicht sonderlich von derjenigen der Primarschule abweicht, beträgt die Altersspanne gar 13 Jahre (von 6 bis 19 Jahren bei stets erfolgreicher Schullaufbahn). In diese Vergleichsrechnung müsste man der Vollständigkeit halber jedoch auch die Hausaufgaben mit einbeziehen. Aufgrund der Schwierigkeiten bei der Erfassung dieser Variable gibt es hierzu aber keine repräsentativen Angaben. Dennoch fällt auch ohne diese Werte auf, dass die Schulzeit (im Sinne der in den Schulen zu verbringenden Unterrichtszeit) in der wichtigen Entwicklungsspanne von Kindheit und Adoleszenz in Luxemburg wenig differenziert ist. Wenn man davon ausgeht, dass nach der gleichen Vergleichsrechnung Vollzeitarbeitsplätze in der Regel 46 Arbeitswochen pro Jahr voraussetzen, mutet man den Kindern in unserem Vergleich also die Hälfte dieser Arbeitszeit pro Jahr zu (ohne die Hausaufgaben mit einzubeziehen).

Natürlich ist dieser Vergleich des Arbeitszeitaufwands zwischen Kindern und Erwachsenen zu simplistisch, Kinder sind ja nicht einfach „halbe" Erwachsene. Dennoch stellt sich hier die Frage der Progressivität in der Entwicklung des Arbeitspensums. Für die älteren Kinder und Jugendlichen in den Sekundarschulen bedeutet der immer komplexer und umfangreicher werdende Lernstoff auch einen immer größeren Zeitaufwand für den Lernprozess außerhalb der Schule, was schließlich zu einer progressiven Annäherung an das durchschnittliche Arbeitsvolumen der Erwachsenen führt. Die jüngeren Kinder hingegen, hauptsächlich die Schüler des Unter-, aber auch noch diejenigen des Mittelgrads, müssen ebenso viel Zeit in der Schule verbringen wie die älteren Kinder. Wenn dann noch zu Hause mit den Kindern „gelernt" wird, bzw. die jungen Schüler viele Hausaufgaben erhalten, stellt sich die Frage, ob diese Kinder nicht „sanfter" in den Schulalltag eingeführt werden müssten, z.B. indem die Unterrichtszeit zu Beginn geringer ausfallen würde, um dann im Mittelgrad erhöht zu werden und im Obergrad das endgültige Niveau zu erreichen.

 

b.    Belgien: Province de Luxembourg

Es wurde bereits erwähnt, dass Luxemburg mit dem 6-Tage-pro-Woche-Modell in der EU allein da steht, was die Umsetzung auf gesamtnationaler Ebene betrifft. Wie fast alle EU-Nationen hat auch Belgien den 5-Tage-Rhythmus landesweit, regionale Unterschiede gibt es lediglich im Tagesrhythmus. In der französischen Gemeinschaft, zu der auch die östlich am Großherzogtum angrenzende Province de Luxembourg gehört, besuchen die Kinder die Schule von Montag bis Freitag. An den Vormittagen sind pro Tag 4 Unterrichtseinheiten zu je 50 Minuten vorgesehen, insgesamt also 20 Einheiten pro Woche. An den Nachmittagen sind es deren 2 pro Tag, insgesamt also 8, da Mittwoch nachmittags kein Unterricht stattfindet. Morgens erstreckt sich der Unterricht von 8.30 Uhr bis 12.00 Uhr, nachmittags von 13.30 Uhr bis 15.30 Uhr, die Mittagspause beträgt somit anderthalb Stunden.

Das Wochenpensum beträgt demnach 28 mal 50 Minuten gleich 1400 Minuten. Die belgischen Schüler erhalten somit 140 Minuten weniger Unterricht im Vergleich zu ihren luxemburgischen Altersgenossen, was immerhin über 2 Stunden pro Woche ausmacht. Auf das gesamte Schuljahr summiert ergibt sich dabei ein Unterschied von über 50 Stunden gegenüber den luxemburgischen Primarschulkindern.

 

c.    Frankreich

Auch Frankreich wendet den 5-Tage-pro-Woche-Schulrhythmus an. Im Gegensatz jedoch zu den übrigen 5-Tage-pro-Woche-Modellen zeichnet sich das französische System durch die Besonderheit aus, dass die Kinder nicht kontinuierlich von Montag bis Freitag die Schule besuchen, sondern von Montag bis Samstag mit Unterbrechung am schulfreien Mittwoch. Dabei dauert der Unterricht sowohl vormittags als auch nachmittags jeweils 3 Stunden, von 8.30 Uhr bis 11.30 Uhr respektiv von 13.30 Uhr bis 16.30 Uhr, die Mittagspause beträgt somit 2 Stunden. Am Samstag hingegen wird nur vormittags unterrichtet. Wie in Belgien ergeben sich so insgesamt viereinhalb „lange" Unterrichtstage.

Wenn man den mit 60 Minuten pro Unterrichtseinheiten angegebenen Stunden die Pausenzeiten abrechnet, ergibt sich ein Wochenpensum von 1410 Minuten, womit die französischen Kinder sich mit den belgischen vergleichen können. Im Vergleich zu der Situation im Großherzogtum kommen wir also zu den gleichen Schlussfolgerungen die Unterrichtszeit betreffend wie im Fall der Province de Luxembourg.

 

d.    Deutschland: Rheinland-Pfalz

In dem benachbarten deutschen Bundesland Rheinland-Pfalz wurde vor zwei Jahren die sogenannte „Volle Halbtagsschule" eingeführt, welche sich durch feste Öffnungszeiten über die gesamte Woche auszeichnet. Der Unterricht wird im 5-Tage-Rhythmus erteilt, von Montag bis Freitag jeweils zum größten Teil am Vormittag.

Als Beispiel zitieren wir die im zweiten Studienjahr am I.S.E.R.P. besuchte Grundschule St. Paulin in Trier. Das deutsche Schulsystem unterscheidet sich u.a. von unserem auch dadurch, dass das Pensum je nach Altersklasse verschieden ist. So gibt es in der genannten Schule zwei verschiedene Stundenpläne, je nachdem ob es sich um Erst- und Zweitklässler oder Dritt- und Viertklässler handelt (die fünfte und sechste Klasse ist im deutschen Modell oft bereits in die Sekundarschule integriert, man spricht dann von Haupt- oder Realschule, im Gegensatz zur Grundschule). Die unteren Klassen erhalten Unterricht bis 12 Uhr, während die oberen bis 13 Uhr in der Schule sind.

Die von uns in einem 2. Schuljahr besuchten Aktivitäten waren wie folgt aufgeteilt:

8.00 – 9.40 Blockstunden
9.40 – 9.50 betreutes Frühstück (in der Klasse)
9.50 – 10.15 Pause (im Schulhof)
10.15 – 12.00 Blockstunden

In den Blockstunden wurden die verschiedenen Fächer behandelt. Die Kinder arbeiteten in einem Rhythmus von 10 bis 30 Minuten. Zwischendurch erfolgten immer wieder Auflockerungsübungen, kleine Spiele, Lieder, Tänze, …

Die Kinder, die bis 13 Uhr Unterricht haben, kommen jedoch noch in den Genuss einer zweiten Pause um die Mittagszeit, bevor die letzte Unterrichtseinheit beginnt.

Somit ist eine Mittagspause in dem Sinn, wie wir sie verstehen, d.h. mit einer warmen Mahlzeit, in diesem beschriebenen Fall nicht vorgesehen. Dafür gibt es allerdings eine Frühstückspause am Morgen, welche es erlaubt, den zur Mittagszeit entstehenden Hunger etwas weiter hinauszuschieben, wodurch die Konzentration der Schüler gewährleistet werden soll. Im Fall der älteren Grundschulkinder dauern die Unterrichtsblöcke somit länger als in den bisher beschriebenen Ländern, jedoch hat dieses System den Vorteil, dass die Kinder am Nachmittag frei sind.

Man muss jedoch noch einmal unterstreichen, dass das Wochenpensum in Deutschland wesentlich niedriger ausfällt als in den anderen beschriebenen Ländern. Der Grund hierzu liegt in den Unterschieden der Programminhalte, welche in Deutschland quantitativ geringer ausfallen. Im Vergleich zu luxemburgischen Grundschulen wird beispielsweise in der Grundschule St. Paulin keine Fremdsprache systematisch vermittelt. Zwar haben die Kinder ab der 3. Klasse die Option, Französisch oder Englisch als Fremdsprache kennen zu lernen, doch richtig erlernt werden diese Sprachen erst in den weiterführenden Schulen.

 

4.1.6    Schlussfolgerung

Im Vergleich mit den Nachbarländern ist die Unterrichtszeit in den Luxemburger Primarschulen durch die Mittagspause an den „langen" Tagen Montag, Mittwoch und Freitag relativ zerklüftet organisiert. Dennoch gibt es die Mittagspause auch in Belgien und Frankreich, hier entsteht jedoch ein kontinuierlicheres Bild durch das Aufeinanderfolgen von jeweils zwei „langen" Tagen in einem Wochenrhythmus von 5 Schultagen. Rheinland-Pfalz hat das regelmäßigste Modell mit fünf aufeinander folgenden Halbtagen, was jedoch durch die geringere Anzahl an Unterrichtseinheiten erleichtert wird. Das deutsche Modell bietet den Kindern somit den geregeltsten Wochenrhythmus, sowohl für Familien, die die Möglichkeit haben, ihre Kinder ganz bzw. nur nachmittags zu betreuen, als auch für diejenigen Familien, die ganztags arbeiten, wenn sie für ihre Kinder geeignete Auffangstrukturen am Nachmittag zur Verfügung haben. In Belgien, Frankreich und Luxemburg ist die Familienorganisation da etwas schwieriger, da z.B. französische Eltern abwägen müssten, ob sie im Falle von Teilzeitarbeit lieber vormittags oder nachmittags arbeiten würden, um mehr Zeit für ihre Familie zur Verfügung zu haben. Auch die Organisation von paraschulischen Auffangstrukturen gestaltet sich in diesen Ländern schwieriger, da die Zeitpläne sich dem Schulrhythmus anpassen müssen, was sich z.B. bei der Bewerbung von Personal negativ auswirken könnte, da unregelmäßige Arbeitszeiten in verschiedenen Berufen schwer zu verwirklichen sind.

Schlussendlich haben jedoch die in den gesetzlichen Richtlinien verankerten Inhalte einen entscheidenden Einfluss auf die Schulzeiten. So wäre das Modell der „Vollen Halbtagsschule" wohl schwer umsetzbar, wenn statt 5 Unterrichtseinheiten pro Tag deren 6 in einem Block vorgesehen werden müssten, um den gesamten Lernstoff zu behandeln. Da in Luxemburg nun mal durch ein umfangreicheres „Programm" höhere Anforderungen als in den Nachbarländern gestellt werden, schienen bis vor kurzem alternative Schulmodelle unmöglich, da das „Programm" größtenteils als unantastbar angesehen wird. Mit der neuen Regelung des Religions-, sowie des Moral- und Sozialunterrichts hingegen trat erstmals eine Reduzierung von 30 auf 29 Unterrichtseinheiten pro Woche ein, wodurch die Schulorganisation in jeder Gemeinde gefordert war. Da die Gemeinden für die Schulorganisation zuständig sind, stellen sich ihnen auch andere Probleme, wie die des Schülertransports und die der Infrastrukturen. So kam es schließlich, dass in einigen Gemeinden alternative Schulmodelle entstanden, trotz des umfangreichen Wochenpensums. Diese Modelle werden in den folgenden Sektionen beschrieben.

 

[33] Calendrier et rythmes scolaires dans l’Union Européenne, 1995

[34] siehe auch 2. Kapitel, Punkt 2.1.2 b.

 

Bibliografie

 

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