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Wie bereits im ersten Kapitel angedeutet, bilden die Schulrhythmen seit ungefähr einem Jahr immer häufiger das Thema einer öffentlichen Debatte über Schulorganisation und Schulpolitik. Das will nicht heißen, dass in der Vergangenheit überhaupt nicht darüber diskutiert wurde, hatte doch bereits 1994 die Fédération des Associations des Parents d‘Elèves de l‘Enseignement Primaire (FAPEEP) eine die Schulrhythmen betreffende Umfrage durchgeführt. Spätestens nachdem eine in der Interessengemeinschaft „Elteren mobiliséieren" zusammengeschlossene Elterngruppe ziemlich medienwirksam auf die Problematik aufmerksam gemacht hatte, fällt jedoch auf, dass innerhalb von einem Jahr auf diesem Gebiet doch einiges mehr in Bewegung gekommen ist als vorher. Dieser Umstand dürfte wohl auch mit dem im Anschluss an die Parlamentswahlen von 1999 erfolgten Regierungswechsel zu tun haben, bei dem die DP das Ministerium für Nationale Erziehung von der CSV übernahm. Weil aber die bereits angekündigten politischen Entscheidungen der neuen Ministerin Anne Brasseur in der Bevölkerung ziemlich umstritten sind, wird die Zahl der an der Diskussion interessierten und beteiligten Gruppen immer größer. In diesem Kapitel versuchen wir, einen Überblick über die Geschehnisse des letzten Jahres zu geben.
Im Februar 1999 setzten sich rund ein Dutzend Eltern, deren Kinder Luxemburger Schulen besuchen, zusammen, um in einem offenen Brief an die damals zuständige Ministerin für Nationale Erziehung Erna Hennicot-Schoepges (CSV) ihrem Unmut über die nicht mehr im Einklang mit ihrer Berufstätigkeit stehenden Stundenpläne ihrer Kinder Ausdruck zu verleihen. Gleichzeitig riefen sie zu einer Unterschriftenaktion auf, um für folgende Forderungen Unterstützung zu erhalten:
- traditionellem Unterricht (obligatorisch),
- Hausaufgabenhilfe und Nachhilfeunterricht (freiwillig),
- sozialer Integration im Rahmen der Schule durch freiwillige Teilnahme an Mahlzeiten und peri- bzw. paraschulischen Aktivitäten (Sport, Musik, Kunst, Entdecken der Natur, neue Technologien, …);
Die Petition fand einen ungeahnten Zuspruch bei der Bevölkerung, da bis Mai 1999 an die zwei Tausend Unterschriften gesammelt worden waren. Gestärkt durch diesen Rückhalt von gleichgesinnten Eltern, sprachen die Initiatoren der Bewegung am 6. Mai 1999 bei der Ministerin Erna Hennicot-Schoepges vor, um ihr die Unterschriften zu überreichen und ihr u.a. die folgenden „praktischen Vorschläge" darzulegen:
Die Ministerin sprach sich jedoch kategorisch gegen den schulfreien Samstag aus, um die restlichen Wochentage nicht zu überlasten. Außerdem wies sie darauf hin, dass sie aus Respekt vor der Gemeindeautonomie die Initiative einer Änderung der Stundenpläne lieber den Gemeinden überlasse.
Im Hinblick auf die bevorstehenden Wahlen ließ „Elteren mobiliséieren" jedoch nicht locker und kontaktierte in der Folgezeit weitere gesellschaftliche Gruppierungen, wie Gewerkschaften, Lehrersyndikate, aber auch politische Parteien. Um auch in der Wirtschaftswelt Zuspruch für ihre Ideen zu erhalten, verschickten die engagierten Eltern sogar mehrere hundert Briefe an Unternehmen. Die Veröffentlichung von Leserbriefen wie auch Auftritte in Fernsehen und Radio trugen ihren Teil zur Medienwirksamkeit dieser Interessengemeinschaft bei. Da „Elteren mobiliséieren" darüber hinaus ohne Statuten funktioniert und die Initiatoren keine politischen oder religiösen Präferenzen zur Schau tragen wollen, kann man die Bewegung am besten als Lobby beschreiben, deren Aktionen in der aktuellen Diskussion über die Schulrhythmen sozusagen als Katalysator funktionierten.
In den Wahlprogrammen sämtlicher großen Parteien war auch die Schule ein Thema. Bei den Inhalten glichen sich jedoch die meisten Texte, lediglich die Schlagwörter variierten. So sprach die DP beispielsweise von einer „Bildungsoffensive" [35], um ihrem Wunsch Nachdruck zu verleihen, im Falle einer Regierungsbeteiligung das Luxemburger Sorgenkind Schule mit einer Vielzahl von Reformen aufzupäppeln. Da bei den Koalitionsverhandlungen zwischen CSV und DP die DP das Ressort Nationale Erziehung zugesprochen bekam, ist es verständlich, dass wir angesichts des Wahlversprechens [36] im Koalitionsabkommen vom August 1999 folgenden Passus [37] finden:
« 7. Le Gouvernement entend initier une large concertation visant l‘introduction de nouveaux rythmes scolaires.
Seront pris en considération:
- les rythmes journaliers avec la finalité d‘un rapprochement entre le rythme de la vie familiale et celui de la vie professionnelle;
- les rythmes hebdomadaires avec les questions relatives à la journée continue, les horaires aménagés et le samedi libre;
- les rythmes annuels avec une analyse de la fréquence et de la durée des vacances scolaires. »
Es sollte allerdings noch bis Ende des Jahres 1999 dauern, bis auf politischer Ebene Bewegung in dieses Dossier kam. So deponierte der Volksvertreter Ben Fayot (LSAP) Ende November eine parlamentarische Anfrage in der Abgeordnetenkammer, in der er in Bezug auf die Schulrhythmen folgende drei Fragen an die Ministerin für Nationale Erziehung richtete:
« 1. Le Ministère de l‘Education Nationale n‘entend-il pas élaborer un questionnaire type pour permettre aux parents d‘exprimer leurs idées sur les aménagements horaires . . . ?
2. Le Ministère n‘entend-il pas créer des incitatifs financiers et des obligations légales pour les communes . . . ?
3. Le Ministère n‘entend-il pas désigner en son sein un responsable spécialement chargé de la question des rythmes scolaires . . . ? »
Die daraufhin von der zuständigen Ministerin Anne Brasseur mitgeteilte Stellungnahme gab folgende Antworten.
Wir sehen also, dass gegen Ende des letzten Jahres außer der Konstitution einer Arbeitsgruppe noch keine weiteren Schritte in die Richtung neuer Schulrhythmen unternommen worden waren. Dies ist jedoch verständlich, da sich die neue Ministerin in einer Phase der Einarbeitung in ihren neuen Verantwortungsbereich befand, der, angesichts aller im Bildungswesen Beteiligten, ja nicht zu den kleinsten Ministerien zählt.
In dieser Zeit befand sich auch die Gruppierung „Elteren mobiliséieren" eher in einer Phase des Abwartens. Auch sie hatten bereits im Oktober das Modell eines an Eltern gerichteten Fragebogens erarbeitet. Als sie der FAPEEP diesen Fragebogen zur Begutachtung unterbreiteten, wurde er aber als tendenziös eingestuft. Daraufhin wurde vorerst noch keine Umfrage bei den Eltern durchgeführt, die meisten Beteiligten wollten zuerst den Fragebogen des Ministeriums abwarten.
Am 27. Januar 2000 wurde die nächste Runde in Sachen „Schulrhythmen" durch die Redaktion der Wochenzeitung „GréngeSpoun" eingeläutet. Eingeladen waren Erziehungsministerin Anne Brasseur, die Lehrerin Monique Adam von der Lehrergewerkschaft „Syndikat Erzéiung a Wëssenschaft am OGB•L" (SEW/OGB•L), Manou Hoss von „Elteren mobiliséieren", sowie der Abgeordnete und Bürgermeister von Beckerich Camille Gira („Déi Gréng").
Die Tatsache, dass der Ort der Veranstaltung, die „Taverne Wëlle Mann" beim Fischmarkt in Luxemburg-Stadt, total überfüllt war, zeugte schon vor dem Beginn des Streitgesprächs vom Interesse in der Bevölkerung. Außerdem hatte sich die Bewegung „Elteren mobiliséieren" mit einem weiteren offenen Brief auf das Gespräch eingestimmt. In diesem Schreiben [38] kritisierten sie, dass bei der Frage der Schulrhythmen und Betreuungsstrukturen drei Ministerien (Ministerium für Familie, Innenministerium und Ministerium für Nationale Erziehung) sich gegenseitig die Verantwortung herumreichen würden. Es wäre jetzt an der Zeit, endlich zu handeln und den politischen Programmen Taten folgen zu lassen.
Zu Beginn des Gesprächs erläuterte Manou Hoss noch einmal die Forderungen ihrer Bewegung. Daraufhin zeigte sich Monique Adam einverstanden mit der Forderung nach Betreuungsstrukturen neben der Schule, betonte jedoch, dass die Strukturen qualitativ hochwertig sein müssten und nicht von der Schule selbst, sondern eher komplementär zur Schule angeboten werden müssten. Bürgermeister Camille Gira beschrieb dann eine in Beckerich bereits funktionierende Auffangstruktur, die mittlerweile einen derartigen Andrang bei den Eltern kenne, dass sie bereits überlastet sei. Die Ministerin ihrerseits war der Meinung, dass es im Bereich der Schulrhythmen keine Patentlösung geben kann, und dass sie deshalb den Gemeinden die Initiative überlassen möchte. Darüber hinaus war auch sie der Auffassung, dass die Betreuungsstrukturen klar von der Schule getrennt werden müssten.
Im weiteren Verlauf des Gesprächs wurde jedoch von allen drei Gesprächspartnern der Ministerin beanstandet, dass eben das Ministerium für Nationale Erziehung in der ganzen Diskussion über Schulrhythmen und Betreuungsstrukturen Richtlinien setzen und Konzepte vorschlagen müsste, wenn denn wirklich etwas geändert werden sollte. Daraufhin gab Anne Brasseur zu verstehen, dass sie die Gemeindeautonomie zu respektieren wisse, und dass die nächste Etappe zur Einführung neuer Modelle von Schulrhythmen die Verteilung an die Gemeinden des von der Arbeitsgruppe im Ministerium vorzubereitenden Fragebogens wäre. Dieser Fragebogen werde im Rahmen einer von ihr geplanten Diskussionsrunde, an der alle Beteiligten, d.h. Vertreter der Gemeinden, des Lehrpersonals und der Eltern, teilnehmen könnten, vorgestellt werden.
Zum Streitgespräch in der „Taverne Wëlle Mann" hatten sich auch einige unzufriedene Eltern aus der Öslinger Gemeinde Goesdorf eingefunden, da sie sich bei der Ministerin beschweren wollten, dass die Gemeinde entschieden hatte, nach den Karnevalsferien – also mitten im laufenden Schuljahr – das Hosinger Modell (siehe 4. Kapitel) auch in Goesdorf einzuführen. Sie fühlten sich bei dieser Entscheidung von den Autoritäten übergangen. Im Zusammenhang mit diesem Fall waren auch bereits einige Leserbriefe in der Presse erschienen, die die Vorgehensweise der Gemeinde und des Lehrpersonals beanstandeten. Darauf reagierten aber wieder andere Eltern, die ihrerseits ein etwas anderes Bild der Geschehnisse zeichneten.
Dieser Briefwechsel kann stellvertretend für die in der Bevölkerung, besonders bei den Eltern schulpflichtiger Kinder, vorherrschende Meinungsvielfalt gesehen werden. Das, was die einen begrüßen, wird von den anderen verteufelt. Zu unterschiedlich sind heutzutage die Familien, als dass eine neue Maßnahme stillschweigend hingenommen werden würde, zudem unsere mediatisierte Gesellschaft polarisierte Meinungsäußerungen fördert. Einen nicht unwesentlichen Einfluss auf die Diskussion üben dabei die audiovisuellen Medien aus.
Am 10. Februar 2000 fand die erste Versammlung der von der Ministerin für Nationale Erziehung kontaktierten Reflexionsgruppe über Schulrhythmen statt. Im Rahmen dieses Rundtischgesprächs stellte die Arbeitsgruppe « rythmes scolaires » des Ministeriums den Fragebogen vor, der in den darauffolgenden Tagen an die Gemeinden verschickt werden sollte. Das Ziel des Fragebogens bestand darin, den Gemeinden ein Instrument zur Verfügung zu stellen, um eine Umfrage bei den Eltern bezüglich der Akzeptanz einer eventuell geplanten Umänderung der Schulzeiten durchführen zu können. Damit die Gemeinden sich jedoch nicht bloß auf die Möglichkeit des schulfreien Samstags beschränkten, wurde des weiteren vom Ministerium ein allgemeiner Rahmen fixiert, der z.B. vorsah, dass das vorgesehene Wochenpensum nicht unterschritten werden dürfe.
Die Fragebögen wurden schließlich am 21. Februar an die Gemeinden verschickt. An sich hätte man jetzt annehmen können, dass etwas Ruhe in das Dossier „Schulrhythmen" einkehren würde. Immerhin lag die Initiative jetzt bei den Gemeinden, denen es freigestellt war, etwas zu ändern oder nicht, d.h. die Umfrage durchzuführen oder nicht. Doch knapp einen Monat nach der Vorstellung des Fragebogens über Schulrhythmen traf die Ministerin Anne Brasseur eine Entscheidung, die die Diskussion erst richtig aufheizen sollte.
Im Rahmen einer Pressekonferenz am 9. März 2000 gab die Ministerin für Nationale Erziehung bekannt, dass sie in der zweiten Versammlung der Reflexionsgruppe über Schulrhythmen zwei Vorschläge zur Einführung neuer Schulrhythmen gemacht habe. Die erste Möglichkeit sehe vor, jeden zweiten Samstag schulfrei zu machen während die zweite darin bestehen würde, den schulfreien Samstag integral einzuführen, was jedoch dienstags und donnerstags eine Verlängerung der Schulzeit zur Folge hätte. Die Verwirklichung der beiden Vorschläge würde durch den Umstand erleichtert, dass die Unterrichtsstunden ab dem Schuljahr 2000/2001 von derzeit 29 auf künftig 28 reduziert werden. Von der Reduzierung wäre außerdem kein bestimmtes Unterrichtsfach betroffen, da die wegfallende Stunde bisher als Optionsstunde geführt wurde. Die Testphase für die neuen Schulrhythmen werde im kommenden Herbst anlaufen, nachdem die Gemeinden sich auf einen Vorschlag geeinigt hätten.
Auf diese Entscheidung zur Stundenreduzierung in der Primarschule blieben die Reaktionen nicht aus. Während „Elteren mobiliséieren" den Vorschlag der Erziehungsministerin Anne Brasseur begrüßten und als „erstes Zeichen für eine Anpassung der Luxemburger Schulzeiten an ein modernes Familienleben" deuteten, zeigte sich der Dachverband der Elternvereinigungen, die Confédération des Associations de Parents d‘Elèves du Luxembourg (CONFAPEL), eher erstaunt, da sie sich eine breite Befragung der Eltern durch den im Februar an die Gemeinden verteilten Fragebogen (siehe Punkt e.) erwartet hatte [39]. Die CONFAPEL kritisierte außerdem den Umstand, dass erst zwei Versammlungen der Reflexionsgruppe über Schulrhythmen stattgefunden hätten, in denen außerdem noch nicht über die Bedürfnisse der Kinder gesprochen worden wäre. Dabei forderte sie, dass die Reflexionen über eventuelle Reformen des Schulsystems sich nicht auf die alleinigen Schulrhythmen beschränken sollten.
Heftig fiel die Reaktion eines Bürgermeisters aus, des CSV-Politikers Henri Frank, der in seiner Funktion als Präsident der „Christlich-Sozialen Gemeinderäte" (CSG) die Entscheidung der Erziehungsministerin gar zum Thema der Sitzung des CSV-Gemeindeverbands machte. Daraufhin forderte die CSG das Zurückziehen des angekündigten Projekts sowie eine „breit gefächerte und umfassende Diskussion mit allen Schulpartnern über veränderte Schulrhythmen, dies aus der Perspektive der Schulkinder und unter Berücksichtigung aller pädagogischen Erkenntnisse" [40].
Im Anschluss an die Bekanntgabe der Stundenreduzierung entschieden sich immer mehr Leute zu einer öffentlichen Stellungnahme, indem sie einen Artikel oder Leserbrief in eine der beiden meistgelesenen Luxemburger Tageszeitungen „Luxemburger Wort" (LW) oder „tageblatt" („t") schrieben.
Bei den Leserbriefen variiert die Art der Veröffentlichungen, den meisten ist jedoch der Eifer gemeinsam, mit dem die Autoren an das aktuelle Thema herangehen. Dabei erscheinen sowohl eher satirisch gemeinte Beiträge, z.B. der von einem gewissen „Otto Nomi" [41], der die politischen Schlagwörter „Bildungsoffensive" und „Autonomie" von Ministerin Anne Brasseur aufs Korn nimmt, als auch ernst gemeinte Stellungnahmen, wie z.B. der Beitrag „Nëmmen dropp!" des Lehrers Claude Schmit [42], dessen Aufruf an Leute, die nicht mit der eingeschlagenen Richtung einer Stundenreduzierung einverstanden sind, sich auch zu Wort zu melden, sehr viel Anklang findet.
Bei den Zeitungsartikeln zum Thema der Schulrhythmen gibt es ebenfalls Unterschiede, allerdings weniger was die Form anbelangt. So gibt es durchaus sinnvolle Beiträge, die sich durch kritisches Denken und konkrete Vorschläge auszeichnen. Ein Beispiel ist der in der „Freien Tribüne" im „t" erschienene Beitrag des ehemaligen Staatssekretärs im Unterrichtswesen Guy Linster [43]. Er tritt für eine landesweite Lösung ein, indem er darauf hinweist, dass nicht nur über den Wochenrhythmus, sondern auch über die Regelung der Ferien gesprochen werden sollte. Dem gegenüberzustellen wäre ein Artikel von Roby Zenner auf der Familienseite des LW [44], in dem der Autor die ganze Problematik der Schulrhythmen benutzt, um die für die Erziehungspolitik verantwortlich zeichnende Demokratische Partei zu kritisieren. Darüber hinaus hinterlässt der Beitrag den Eindruck, dass der Verfasser wahrscheinlich doch nicht über die Sachkenntnis verfügt, die man ihm auf den ersten Blick vielleicht bescheinigen könnte, wie folgendes Zitat dem Leser sicherlich vor Augen führen wird:
„Die jahrelangen Diskussionen, Erörterungen und Anregungen, das im Anschluss an eine sich über drei Jahre hinziehende minutiöse Sisyphusarbeit innerhalb einer Arbeitsgruppe und anschließend des Plenums des ‚Conseil supérieur de l‘Education nationale‘ ratifizierte, umfassende, facettenreiche Dokument über neue Schulrhythmen und die wissenschaftlichen Erkenntnisse mehrerer ausländischer Sachverständigen in diesem Bereich, darunter der Pariser Universitätsprofessor Gilbert Montagner, [sic!] . . . "
Diese Sicht der Dinge scheint uns in Anbetracht des von uns kommentierten Gutachtens des CSEN (siehe 3. Kapitel) stark übertrieben und polemisiert, außerdem scheint der Autor den Universitätsprofessor Hubert Montagner mit dem Sänger Gilbert Montagné zu verwechseln …
Die Diskussion über die Schulrhythmen in Luxemburg wird z.T. sehr polemisch und wenig sachlich geführt. Besonders bei Themen, die die Schule betreffen, fühlen sich viele Bürger dazu berechtigt, ihre Meinung in der Öffentlichkeit zu äußern, denn schließlich ist ja jeder zur Schule gegangen und „weiß" somit, um was es geht. Grundsätzlich ist ja auch nichts an einer freien Meinungsäußerung auszusetzen, gehört sie doch zu den Grundrechten einer modernen Demokratie. Unserer Meinung nach sollte man sich jedoch zuerst informieren, ehe man in eine Diskussion einsteigt und Behauptungen aufstellt, die größtenteils emotionaler Natur sind, wobei es doch vor allem auf sachliche Argumente ankommen müsste. Diese Überlegung gilt auch im Hinblick auf die Politik. Denn immerhin ist die Schule bei jeder Reform der Gefahr ausgesetzt, dass eher Politik mit der Schule als für die Schule gemacht wird.
Bei der eigentlichen „Sache" hingegen, der Reform der Schulrhythmen, müssen sich die Diskussionsteilnehmer aber zuerst noch einig werden, ob diese Reform letzten Endes denn in erster Linie auch im Interesse der Kinder ist, oder ob sie eher den Ansprüchen der Eltern gerecht werden soll. Dabei scheint es auf den ersten Blick so zu sein, dass sich die Beteiligten einerseits in ein konservatives Lager, welches eher das alte System bevorzugt, andererseits in die Erneuerer, die Befürworter neuer Schulrhythmen, einteilen lassen. Eine solche Kategorisierung wäre in unseren Augen jedoch zu polarisierend und würde im Endeffekt einen Konsens nur erschweren. Positiver sehen wir da schon die sachliche Auseinandersetzung mit der Problematik in einem ganzheitlichen Ansatz, z.B. die Forderung, dass man nicht über Schulrhythmen alleine sprechen kann, ohne das gesamte Schulsystem, mit Lerninhalten, Methoden, Bewertung und Infrastrukturen in die Diskussion einzubeziehen.
In den nächsten beiden Kapiteln untersuchen wir an den Modellen von Hosingen und Reckange-sur-Mess, wie mit Hilfe von Umfragen die Akzeptanz der Eltern gegenüber neuen Schulrhythmen erfasst wurde, und wie die daraus hervorgegangenen Resultate interpretiert werden können.
[35] Wahlprogramm der DP, 1999
[36] „Wir treten resolut für ein landesweit organisiertes Angebot neuer Schulrhythmen ein”: Wahlprogramm der DP, 1999, Punkt 4
[37] Accord de coalition, 1999, p.109
[38] tageblatt (28. Januar 2000)
[39] tageblatt (16. März 2000)
[40] Wort online (24. März 2000)
[41] tageblatt (18. März 2000)
[42] Luxemburger Wort (18. März 2000)
[43] tageblatt (24. März 2000)
[44] Luxemburger Wort (1. April 2000)
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