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6. Kapitel

Umfragen über neue Schulrhythmen

 

 

Die im 4. Kapitel beschriebenen Modelle des Schulzentrums « Parc Hosingen » und der Gemeinde Reckange-sur-Mess sind als Pilotprojekte zu verstehen, d.h. dass es sich bei ihnen um provisorische, im Test befindliche neue Schulzeiten handelt.

Das Schulmodell « Parc Hosingen » wurde zu Beginn des Schuljahrs 1998/1999 eingeführt, war provisorisch auf ein Jahr beschränkt und hatte als Auflage des Erziehungsministeriums die Durchführung einer periodischen Auswertung. Eine erste Umfrage unter den betroffenen Eltern wurde deshalb Anfang des Jahres 1999 vom Sispolo in Hosingen durchgeführt. Die dabei gewonnenen, größtenteils positiven Rückmeldungen führten zu der Erlaubnis der damaligen Erziehungsministerin Erna Hennicot-Schoepges, das Pilotprojekt weiterzuführen. Im zweiten Teil dieses Kapitels gehen wir auf diese Umfrage ein.

Da das Modell in Reckange-sur-Mess erst seit dem laufenden Schuljahr 1999/2000 in seiner jetzigen Form mit durchgehendem Stundenplan am Vormittag und freiwilligen « Ateliers de créativité » am Nachmittag funktioniert, unterliegt es dieses Jahr als Pilotprojekt ebenfalls einer Umfrage, um die Akzeptanz des Projekts bei den Eltern zu ergründen. Im Rahmen dieser Abschlussarbeit erhielten wir die Möglichkeit, die entsprechende Umfrage in Reckange-sur-Mess mitzugestalten. Die Ausarbeitung des Fragebogens wird im dritten Teil dieses Kapitels beschrieben, im darauffolgenden Kapitel gehen wir auf die Resultate der Umfrage ein.

 

6.1    Die Umfrage des Sispolo

6.1.1    Beschreibung des Fragebogens an die Eltern

Der in Deutsch und Französisch verfasste Fragebogen richtet sich an die Eltern der im Schulzentrum « Parc Hosingen » eingeschulten Vor- und Primarschulkinder. Neben einigen Angaben zur Familienkonstellation werden den Eltern neun Fragen darüber gestellt, wie sich das neue Schulmodell auf das Kind und die Familie auswirkt. Dabei haben die Eltern bei jeder Frage die Möglichkeit, persönliche Bemerkungen hinzuzuschreiben.

 

a.    Angaben zur Familienkonstellation

Den Eltern ist freigestellt, ob sie den Namen ihres Kindes angeben oder nicht. Dann wird gefragt, ob beide Eltern arbeiten, und ob es sich um einen alleinerziehenden Haushalt handelt. Die Eltern werden gebeten, ihren Wohnort und ihren Arbeitsort einzutragen. Schließlich soll das Alter und die Klasse des Kindes angegeben werden.

 

b.    Die Fragen

Die ersten acht Fragen können durch Ankreuzen beantwortet werden. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, eine persönliche Bemerkung, eine Ergänzung oder eine Begründung hinzuzufügen. Die neunte Frage besteht darin, die Hauptvor- und -nachteile des neuen Schulmodells anzugeben. In der folgenden Liste werden alle gestellten Fragen so aufgezählt, wie sie im Fragebogen enthalten sind.

1. Glauben Sie, dass das neue Schulmodell sich positiv oder negativ auf die schulischen Leistungen Ihres Kindes auswirkt ?

£ positiv £ negativ £ unverändert £ keine Meinung

Bemerkung: _____________________________________________________________

2. Verkraftet Ihr Kind die fünf morgendlichen Schulstunden gut ?

£ ja £ nein £ keine Meinung

Bemerkung: _____________________________________________________________

3. Kommt das Kind mit dem Aufstehen klar ?

£ ja £ nein £ unverändert £ keine Meinung

Bemerkung: _____________________________________________________________

Aufstehzeit des Kindes: ________ Uhr

4. Hat das neue System positive oder negative Auswirkungen auf das Erledigen der Hausaufgaben ?

£ positiv £ negativ £ keine £ keine Meinung

Bemerkung: _____________________________________________________________

Womit erklären Sie sich diese Auswirkungen ?

_______________________________________________________________________

_______________________________________________________________________

5. Bringt das neue System Vorteile für das Kind im Sinne einer besseren Freizeitgestaltung ?

£ ja £ nein £ unverändert £ keine Meinung

Bemerkung: _______________________________________________________________________

6. Bringt der neue Stundenplan, Ihnen als Eltern, eine positivere Gestaltung des Familienlebens ?

£ ja £ nein £ unverändert £ keine Meinung

Bemerkung: _______________________________________________________________________

7. Hat das neue Schulmodell Einfluss auf die Essgewohnheiten des Kindes ?

£ ja £ nein £ unverändert £ keine Meinung

Bemerkung: _______________________________________________________________________

8. Würden Sie Ihr Kind in eine Auffangstruktur (Foyer de jour …) mit Kostenbeteiligung (gestaffelt nach Einkommen) im Park Hosingen ganz oder teilweise einschreiben ?

£ ja £ nein £ keine Meinung

Wenn ja aus welchem Grund ?
_______________________________________________________________________

9. Worin sehen Sie die größten Vorteile resp. die größten Nachteile des neuen Modells ?

Vorteile: _______________________________________________________________________

_______________________________________________________________________

Nachteile: _______________________________________________________________________

_______________________________________________________________________

 

6.1.2    Diskussion des Fragebogens an die Eltern

a.    Zu den Angaben zur Familienkonstellation

Unserer Meinung nach hätte man das Feld für den Namen des Kindes ganz weglassen sollen, da auf diese Weise die Anonymität für jede befragte Familie gelten würde. Wenn man die Auswertung der Umfrage studiert, stellt man übrigens auch fest, dass dieses Item in keiner Weise für die Resultate relevant ist.

Auch die Angaben des Wohnorts bzw. des Arbeitsorts werden in der Auswertung nicht berücksichtigt. Diese Daten könnten jedoch als Ergänzung der Antworten zu den Fragen 7 und 8 genutzt werden: wenn beide Eltern beispielsweise an vom Wohnsitz entfernten Orten arbeiten, wäre das Kind an den Nachmittagen ohne Betreuung.

Die Alters- bzw. Klassenzugehörigkeit der Kinder wird zwar in der Auswertung angegeben, hat jedoch keinen direkten Einfluss auf die globale Akzeptanz respektiv Ablehnung des Modells, jedenfalls in Bezug auf die Primarschule. Dagegen ist die Differenzierung zwischen Vor- und Primarschulkindern unerlässlich, da für beide Kategorien verschiedene Stundenpläne gelten (die Vorschulkinder haben einen 5-Tage-pro-Woche-Rhythmus, während die Primarschulkinder an sechs aufeinander folgenden Wochentagen die Schule besuchen). In der Auswertung der Fragen 1 bis 7 werden denn auch pro Frage zwei Tortendiagramme für Vor- und Primarschule angegeben.

 

b.    Zu den Fragen

Was die Formulierung der Fragen bzw. der Antwortmöglichkeiten anbelangt, wollen wir folgende Kritikpunkte hervorheben.

Frage 3, ob das Kind mit dem Aufstehen zurecht kommt, differenziert eigentlich nicht zwischen dem alten und dem neuen System. Die Antwort „unverändert" kann nämlich auch „ja" oder „nein" bedeuten, je nachdem ob das Kind Früh- respektiv Spätaufsteher ist (eine Eigenschaft, die sicher nicht erst im neuen Modell entstanden ist). Man hätte demzufolge die Frage folgendermaßen formulieren können: „Hat Ihr Kind mit dem neuen Modell mehr Probleme beim Aufstehen als vorher ?"

Frage 4 zur Bewältigung der Hausaufgaben betrifft nur diejenigen Eltern, die Kinder in der Primarschule haben, was man explizit hätte kennzeichnen können.

Frage 5 fragt nach Vorteilen des neuen Modells für das Kind bei der Freizeitgestaltung, was an sich eine dichotomische Fragestellung ist: entweder es gibt Vorteile, oder es gibt keine. Wenn es aber keine Vorteile gibt, dann kann das einerseits bedeuten, dass die Situation unverändert ist, somit wären die Antworten „nein" und „unverändert" gleichbedeutend. Hier hätte man also wie bei Frage 2 auf die Möglichkeit „unverändert" verzichten sollen. Andererseits kann es aber auch bedeuten, dass das neue System Nachteile mit sich bringt, vermutlich wird dann aber „nein" angekreuzt werden. Wie sind also nun die Antworten „nein" und „unverändert" zu interpretieren ?

Die gleiche Bemerkung könnte man für die Frage 6 über eine positivere Gestaltung des Familienlebens gelten lassen. Wenn die Antwort negativ ist, könnte das sowohl bedeuten, dass die Situation unverändert ist, als auch, dass ein negativer Einfluss besteht.

Bei Frage 7 über die Essgewohnheiten sind die Antworten „nein" und „unverändert" gleichbedeutend, da hier überhaupt keine Nebenbedeutung (weder „positiv" noch „negativ") angegeben wird. Die relevanten Antwortmöglichkeiten müssten in dem Fall also wie jene der Frage 2 über das Verkraften der fünf aufeinander folgenden Schulstunden auf „ja" oder „nein" plus „keine Meinung" beschränkt werden.

 

6.1.3    Interpretation der Resultate der Elternumfrage

Das Sispolo hat die Resultate der ersten Umfrage über den neuen Stundenplan des Schulzentrums « Parc Hosingen » am 17. März 1999 veröffentlicht [45]. Dabei wurden pro Frage jeweils die Anzahl der angekreuzten Antworten nach Wohnort und Zugehörigkeit zu Vor- respektiv Primarschule aufgelistet, Tortendiagramme mit Prozent- und Absolutwerten, sowie eine Auflistung der notierten Bemerkungen (nach Schulklasse gegliedert) erstellt.

In Anbetracht der Tatsache, dass auch Fragebögen zurückgegeben wurden, wo bei verschiedenen Fragen überhaupt kein Kästchen angekreuzt worden war, hätte man diese Antworten eventuell auch in die Kategorie „ohne Meinung" einordnen oder ganz weglassen können, was die Tortendiagramme vereinfacht hätte, da dann nur drei respektiv vier (anstatt vier respektiv fünf) Kategorien darzustellen gewesen wären.

Aus Gründen der Übersichtlichkeit haben wir die vom Sispolo in Tortendiagrammen dargestellten Ergebnisse in der Tabelle 6.1 zusammengefasst.

 

Vorschule

Primarschule

1. schulische Leistungen

+

50 %

2 %

0

20 %

k.M.

22 %

k.A.

6 %

+

53 %

1 %

0

38 %

k.M.

5 %

k.A.

3 %

2. morgendliche Schulstunden

ja

94 %

nein

5 %

k.M.

0 %

k.A.

1 %

 

ja

97 %

nein

3 %

k.M.

0 %

k.A.

0 %

 

3. Aufstehen

ja

88 %

nein

10 %

0

1 %

k.M.

0 %

k.A.

1 %

ja

79 %

nein

7 %

0

7 %

k.M.

7 %

k.A.

0 %

4. Hausaufgaben

+

20 %

0 %

0

8 %

k.M.

23 %

k.A.

49 %

+

69 %

3 %

0

21 %

k.M.

5 %

k.A.

2 %

5. Freizeit-
gestaltung

ja

82 %

nein

6 %

0

8 %

k.M.

2 %

k.A.

2 %

ja

75 %

nein

10 %

0

11 %

k.M.

1 %

k.A.

3 %

6. Familienleben

ja

56 %

nein

14 %

0

20 %

k.M.

5 %

k.A.

5 %

ja

61 %

nein

16 %

0

20 %

k.M.

1 %

k.A.

2 %

7. Ess-
gewohnheiten

ja

23 %

nein

55 %

0

20 %

k.M.

2 %

k.A.

0 %

ja

11 %

nein

64 %

0

24 %

k.M.

0 %

k.A.

1 %

8. Auffang-
struktur

Vor- und Primarschule
zusammen :

ja

18 %

nein

72 %

k.M.

5 %

k.A.

5 %

+ : positiv – : negativ 0 : unverändert k.M. : keine Meinung k.A. : keine Angabe

Tabelle 6.1

Wenn wir uns die Resultate der Umfrage anschauen, können wir überwiegend eine positive Rückmeldung der Eltern gegenüber dem neuen Schulmodell feststellen. Wenn wir von den Antworten der Eltern mit Vorschulkindern bei der Frage zu den Hausaufgaben (Nr. 4) absehen, da dieser Aspekt für die Vorschule nicht relevant ist, wird bei allen Fragen, die das neue System betreffen (von 1. bis 7.), wenigstens zur Hälfte zustimmend geantwortet. Interessant ist auch die Tatsache, dass die Befragten sich zur Mehrheit gegen die Einführung einer Auffangstruktur im « Parc Hosingen » aussprechen, wo doch gerade dies auf nationaler Ebene eine der Hauptforderungen von u.a. „Elteren mobiliséieren" darstellt. Da wir in der Auswertung der Umfrage keine Statistik über die Berufstätigkeit der Eltern vorfanden, nehmen wir an, dass die Familien, in denen beide Eltern eine ganztägige Arbeitsstelle haben, in der Minderheit sind gegenüber jenen Eltern, die ihre Kinder an den freien Nachmittagen ganz oder teilweise selbst betreuen können. Dieser Umstand würde erklären, dass das Interesse für eine Auffangstruktur im « Parc Hosingen » nicht groß ist.

 

6.1.4    Die Umfragen bei Schülern und Lehrpersonal

Zusätzlich zu der Elternbefragung wurden auch alle Schüler des dritten, vierten, fünften und sechsten Schuljahrs sowie die LehrerInnen, die in der Zentralschule im « Parc Hosingen » unterrichten, nach ihrer Meinung über das neue Schulmodell gefragt.

 

a.    Die Meinung der Schüler

Die Meinungsbögen der 134 befragten Schüler zeichnen sich durch eine einfache Formulierung der Angaben aus. Außerdem sind die Bögen persönlicher gestaltet, die Kinder brauchten nichts anzukreuzen, sie konnten Sätze zu Ende schreiben, oft genügte jedoch auch ein Wort als jeweilige Antwort. Die erfassten Schwerpunkte sind folgende:

  1. Dein Alltag in der neuen Schule
  1. Wenn ihr meine Meinung wissen wollt!
  1. Wenn …, dann ... !

Da bei dieser Umfrage eine unbegrenzte Anzahl an Antwortmöglichkeiten bestanden, konnte die Auswertung nicht in statistischer Form wie bei der Elternbefragung präsentiert werden. Der Lehrer Nico Walisch hat sich jedoch die Mühe gemacht, alle Schüleraussagen in einem Textverarbeitungsdokument [46] der Häufigkeit nach zu regruppieren. Wir wollen hier nur kurz darauf eingehen und einige interessante Aspekte herausgreifen.

Zusammenfassend kann man sagen, dass es den meisten Kindern in der neuen Schule gefällt. In der Rubrik „Wenn … dann …" taucht zwar auch die Forderung „den alten Stundenplan wieder einführen" auf, doch diese Meinung wird nicht häufiger genannt als „die Schule abschaffen" oder gar „alle Schulen vernichten". Man kann es halt nicht jedem recht machen …

 

b.    Die Meinung der LehrerInnen

Bevor der neue durchgehende Stundenplan eingeführt wurde, war zwar schon die Mehrzahl der Lehrpersonen positiv gegenüber der Neuerung eingestellt, es gab aber deutlich mehr Skeptiker als zum Zeitpunkt der Befragung, nach einem halben Jahr Schulzeit mit dem neuen Modell. Folgende Schwerpunkte wurden aus der Sicht der LehrerInnen zurückbehalten.

Auch beim Lehrkörper fällt die Rückmeldung über das Hosinger Schulmodell größtenteils positiv aus, was an sich auch zu erwarten war. Denn wenn Eltern und Schüler zufrieden sind, dürfte wohl jede LehrerIn eine gute Ausgangsbasis für seinen Unterricht vorfinden.

 

[45] Résultats de la 1ère enquête concernant le nouvel horaire du Centre Scolaire <Parc Hosingen>, 1999

[46] N. Walisch, 1999

 

Bibliografie

 

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